WEITERSAGEN

Klanginstallation im öffentlichen Raum in den Gassen von Völksen, Raum Hannover / Chorkonzert (2022)
Fünf überdimensionale Flüstertüten aus Metall, Löffel, Drahtseil, Stahlwinkel, sechs kleine Druckkammerlautsprecher, Kabel, Lichtschranke, Waveplayer, sechs Aktiv-Lautsprecher

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Alles geht seinen Weg – sichtbar in Form von Straßen, Bahnstrecken oder Flußläufen, unsichtbar wie die Flugbahnen der Vögel oder die Zugrichtung der Wolken und hörbar wie die Geräusche im Alltag, die Musik im Konzertsaal oder das Echo in den Bergen. Anna Schimkat nutzt für ihre Klanginstallation WEITERSAGEN die quer durch den Ort verlaufenden schmalen historischen Fußwege, die auch "Gatzen" genannt werden. Sie führen abseits der Straßen entlang der Rückseite von Gebäuden, an Privatgärten und Streuobstwiesen vorbei und verkürzen die Wege zu Kindergarten, Schule und Johanneskirche, verbinden Supermarkt und alte Schmiede. Kinder werden gebracht und wieder abgeholt, Hunde spazieren geführt, Einkäufe gemacht und zur Kirche gegangen - immer auf den gleichen Fußwegen auf 2 km Länge. Abwechselnd flankierend von Ziegelsteinmauern, Zäunen und Natursteinmauern können die Menschen gehend ihren Gedanken nachhängen, die Umgebung betrachten oder einander begegnen. Dann bleibt man vielleicht stehen für ein Gespräch in der Gasse oder über den Zaun, tauscht Neuigkeiten aus, vertieft Bekanntschaften, berichtet über Erlebnisse. Der sichtbare Weg wird gleichzeitig zum unsichtbaren Kommunikations- und Informationskanal des Ortes - was passiert in Völksen, aber auch darüber hinaus?

In der Installation WEITERSAGEN beleuchtet Anna Schimkat den Aspekt der Informationsweitergabe durch und in den Gatzen. Was gibt es bereits zu hören, was erfährt man, was wird erzählt und was kann zum Klingen gebracht werden? Der medizinische Begriff des Gehörgangs im Ohr erfährt eine physische Übersetzung beim Gang durch die Gatzen, die von Anna Schimkat mittels dreier Elemente verwandelt werden.



Fünf rote Flüstertüten stehen als Skulpturen in den Gassen und verweisen auf die Herstellung von Öffentlichkeit und die Verbreitung von Informationen von einem Ort aus. Als einfacher Klangverstärker erhöhen sie die Reichweite bei der akustischen Nachrichtenverbreitung und werden auch heute noch elektronisch verstärkt bei Kundgebungen und Demonstrationen eingesetzt.


Real werden menschliche Stimmen durch sechs Druckkammerlautsprecher an einem Zaun in den Gatzen hörbar, dabei ist jedem Lautsprecher eine andere Stimme zugeordnet. Die Stimmen stammen vom Augusta Chor aus Völksen, der "Stille Post" gespielt hat. Von Lautsprecher zu Lautsprecher verändert sich das Gesagte, wie beim Spiel "Stille Post" jeweils das weitergesagt wird, was man vom ins Ohr geflüsterten, verstanden hat. Die verwendeten Texte für die Klanginstallation entstammen zum Teil Rezensionen aus Google Maps zum örtlichen Supermarkt. Diese Sechs-Kanal-Klanginstallation ist an den Tagen der "offenen Kirche" auch in der Johanniskirche zu hören. Die Kirche als Verbreitungsort der christlichen Botschaft, aber auch als historisches Zentrum des dörflichen Informations- und Meinungsaustausches kommt dabei mit ins Spiel. Unter dem Aspekt "Am Anfang war das Wort" wirft sie Fragen nach der Bedeutung der öffentlichen Rede- und Sprachhoheit auf. Welche Botschaft verkündet und welche verstanden wird, ist das zentrale Thema der kommunikationswissenschaftlicher Forschung und zeigt die Schwierigkeit im Verhältnis von sagen, hören und verstehen von Inhalten.



Eine dritte Komponente der Klanginstallation entsteht mit Hilfe von Löffeln, die als Windspiel über den Köpfen der Passanten in den Gatzen aufgereiht hängen. Als Alltagsgegenstand sind Löffel die ältesten Hilfsinstrumente bei der Nahrungsausnahme, paarweise aneinandergeschlagen dienen sie auch als Begleitinstrument traditioneller Musik. Das Verbindende der gemeinsamen Nahrungsaufnahme, die Gesprächsrunden beim Tafeln im häuslichen Kreis, aber auch bei Festtagen im Dorf bis hin zum gemeinsamen Auslöffeln der Suppe sind nur einige Aspekte, die beim Klang der Löffel in den "Gatzen" vielleicht in den Sinn kommen.




Alles geht seinen Weg – wie und wo kommuniziert wird, was am Anfang gesagt und am Ende verstanden wurde, was Mauern geklagt und am Zaun beredet wird, das wird bei der Klanginstallation WEITERSAGEN thematisiert. Geschichten werden zur Geschichte des Ortes, den pst... schon gehört... bitte WEITERSAGEN.


Der Chor der Leibniz Universität Hannover entwickelte unter meiner künstlerischen Leitung und der fachlichen Leitung von Tabea Fischle einen Klangspaziergang aus dem Kompositionsmaterial durch das Dorf Völksen. Alle Einwohner:innen waren eingeladen mitzuspazieren.









FOTOS Annika Woidtke



Chor: Augusta Chor Völksen, Chor der Leibniz Universität Hannover
Projektmanagment: Kunstverein Hermanshof, Eckhart Liss, Intraregionale Team
Text (Auszug): Julienne Franke